Steuerberater vor Gericht: Herausforderungen bei Klagen gegen Schlussabrechnungen

Kategorie: Corona-Schlussabrechnungen

Ablehnende Bescheide zu Schlussabrechnungen können für Steuerberater zur Herausforderung werden. Klagen vor dem VG erfordern tiefgehendes verwaltungsrechtliches Wissen. Erfahren Sie, warum eine Klage gut überlegt sein sollte und welche Stolpersteine es bei der Klageerhebung zu beachten gilt.

Steuerberater: Vorsicht bei Klagen gegen Schlussabrechnungen

Warum Steuerberater bei ablehnenden Bescheiden vorsichtig sein sollten

Die Abwicklung von Schlussabrechnungen im Zusammenhang mit Corona-Beihilfen stellt Steuerberater vor komplexe Herausforderungen

Insbesondere bei ablehnenden Bescheiden oder Rückforderungen sind Steuerberater oft erste Ansprechpartner für Mandanten. Doch die Entscheidung, eine Klage gegen einen solchen Bescheid einzureichen, sollte sorgfältig abgewogen werden. Steuerberater, die normalerweise Experten für finanz- und steuerrechtliche Fragen sind, betreten mit verwaltungsgerichtlichen Verfahren ein rechtliches Terrain, das erhebliche Unterschiede zu finanzgerichtlichen Verfahren aufweist.

Dieser Beitrag beleuchtet die wichtigsten Aspekte, die Steuerberater beachten müssen, und erläutert anhand von Beispielen typische Fehlerquellen.

Warum sind Klagen gegen Schlussabrechnungsbescheide relevant?

In vielen Fällen, insbesondere wenn es um die Coronabedingtheit von Umsatzeinbrüchen oder um Unternehmensverbünde aufgrund familiärer Verbindungen geht, lohnt sich ein rechtlicher Widerstand gegen ablehnende oder rückfordernde Bescheide zu den Überbrückungshilfen. 

Doch die Klageerhebung ist komplex und birgt Risiken, die insbesondere für Steuerberater beachtlich sind. Verwaltungsgerichtliche Verfahren folgen den strengen Vorgaben der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und weichen erheblich von den Prozessen in finanzgerichtlichen Verfahren ab.

Prozessuale Unterschiede: Finanzgericht vs. Verwaltungsgericht

Während Steuerberater sich gut im Steuerrecht auskennen, fehlt es häufig an Expertise bzw. praktischer Erfahrung im Verwaltungsrecht

In verwaltungsgerichtlichen Verfahren gelten die Verwaltungsverfahrensgesetze (VwVfG) des Bundes und der Länder und die prozessualen Regeln der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Diese weichen von den gewohnten Regeln der AO und FGO ab, die viele Steuerberater gewohnt sind. Eine erfolgreiche Klageführung erfordert daher nicht nur Kenntnisse des Verwaltungsrechts, sondern auch Erfahrung vor den Verwaltungsgerichten. Fehlendes Fachwissen und mangelnde Prozesserfahrung führen häufig zu formellen Fehlern, die die Erfolgsaussichten einer Klage deutlich mindern.

Strenge Klagefristen: Ein unterschätztes Risiko

Ein besonders hohes Risiko besteht im Umgang mit Klagefristen

Die Klagefrist gegen einen ablehnenden Bescheid oder einen Widerspruchsbescheid beträgt gemäß § 74 Abs. 1 VwGO einen Monat ab Zustellung des Bescheids. 

Wird diese Frist nicht eingehalten, ist die Klage unzulässig, und der Bescheid wird bestandskräftig. Das bedeutet, dass die Mandanten die geforderte Summe zurückzahlen müssen, selbst wenn der Bescheid inhaltlich rechtswidrig sein sollte.

Formelle Anforderungen: Stolpersteine bei der Klageerhebung

Ein weiteres häufiges Problem für Steuerberater sind die strengen formellen Anforderungen, die an eine Klageerhebung gestellt werden. Das Versäumnis solcher formalen Voraussetzungen führt zur Abweisung der Klage als unzulässig

Besonders kritisch sind in der Praxis folgende Fehlerquellen:

Übermittlung über das besondere elektronische Steuerberaterpostfach (beSt)

Ein häufig auftretender Fehler ist die fehlerhafte Übermittlung von Schriftsätzen über das beSt. So entschied der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (BayVGH), dass ein Steuerberater bei der elektronischen Einreichung von Klageschriften die qualifizierte Signatur gemäß ERVB hätte nutzen müssen. Im entschiedenen Fall hatte der Steuerberater eine Klage ohne diese qualifizierte Signatur eingereicht, was zur Unzulässigkeit der Klage führte (BayVGH, Beschluss vom 17. Juli 2023 – 22 CS 23.1040).

Übermittlung über fremdes beSt

In einem weiteren Fall nutzte ein Steuerberater das Postfach eines Kollegen, da sein eigenes Postfach noch nicht freigeschaltet war. Das Verwaltungsgericht wies die Klage jedoch als unzulässig ab, da der Postfachinhaber und die unterzeichnende Person übereinstimmen müssen. Fehlt diese Übereinstimmung, ist die Klage unzulässig, da die elektronische Übermittlung nicht den rechtlichen Anforderungen entspricht.

Entzifferbarkeit der Unterschrift

Ein weiteres Praxisproblem betrifft die Lesbarkeit der Unterschrift. Wenn die Unterschrift auf der Klageschrift nicht eindeutig entzifferbar ist, kann das Verwaltungsgericht die Klage ablehnen

Ein Beispiel: Ein angestellter Steuerberater reichte die Klage ein, die jedoch vom Partner der Kanzlei unterschrieben wurde. Da die Unterschrift nicht eindeutig entzifferbar war, wurde die Klage als unzulässig abgewiesen.

Die elektronische Einreichung der Klageschrift über das beSt erfolgt gemäß § 55a Abs. 3 VwGO

Diese Vorschrift bietet zwei Möglichkeiten: Entweder durch eine qualifizierte elektronische Signatur (Variante 1) oder durch die Signatur der verantwortlichen Person mit anschließender Einreichung über einen sicheren Übermittlungsweg (Variante 2).

Unterschriftenzusätze

Ein häufiger Formfehler bei Klageerhebungen durch Steuerberater ist die unkorrekte Verwendung von Unterschriftenzusätzen wie „i.A.“ oder „i.V.„. 

Im folgenden Fall wies das Verwaltungsgericht die Klage als unzulässig ab:

Ein angestellter Steuerberater, der nicht auf dem Briefkopf der Kanzlei aufgeführt war, reichte eine Klage über sein beSt ein und unterschrieb mit „i.A.„.

In der zivil- und arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung wird klargestellt, dass der Zusatz “i.A.” signalisiert, dass der Unterzeichnende keine Verantwortung für den Inhalt des Schriftsatzes übernimmt, sondern nur als Erklärungsbote auftritt (BGH, Urteil vom 27.2.2018 – XI ZR 452/16). 

Eine Ausnahme gilt nur, wenn der Unterzeichner Teil der mandatierten Sozietät ist, was in der Klageschrift ersichtlich sein muss. In diesem Fall war der Steuerberater jedoch nur angestellt und nicht Sozius der Kanzlei.

Ein Beispiel

Der Fall betraf eine Antragstellerin, die im März 2022 teilweise Überbrückungshilfe erhielt. Diese wurde im Januar 2023 abgelehnt und zurückgefordert. Ihr Steuerberater reichte Klage beim Verwaltungsgericht (VG) ein und beantragte, die Rückforderung auszusetzen. Der Schriftsatz wurde elektronisch über das beSt übermittelt, jedoch fehlte die qualifizierte elektronische Signatur.

Das VG wies den Antrag als unzulässig zurück, da die elektronischen Einreichungsvorgaben nicht erfüllt wurden. 

Der Beschluss wurde im Mai 2023 zugestellt, woraufhin die Antragstellerin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragte, da die Beschwerdefrist versäumt worden war.

Der BayVGH lehnte den Antrag ab, da die Beschwerde nicht fristgerecht eingereicht wurde. Der Steuerberater konnte nicht nachweisen, warum er die Frist nicht einhalten konnte. 

Seit dem 1. Januar 2023 müssen Steuerberater elektronische Dokumente einreichen, postalische Einreichungen sind unwirksam (§ 86d, § 157e StBerG). Eine Ausnahme gilt nur, wenn technische Probleme nachweisbar sind, was hier nicht der Fall war.

Rollenkonflikte und Haftungsrisiken

Neben den formalen Hürden birgt die Klageerhebung durch Steuerberater auch erhebliche finanzielle Risiken. Fehlerhafte oder unvollständige Klagen führen zu zusätzlichen Kosten für die Mandanten, sei es durch verlorene Prozesse oder zusätzliche Anwaltskosten

Darüber hinaus befinden sich Steuerberater, die als „prüfende Dritte“ in den Antragsverfahren agiert haben, in einer schwierigen Position, wenn sie gleichzeitig die Klage erheben. Im Falle eines Prozesses könnten sie als Zeugen auftreten, was zu einem Rollenkonflikt und potenziellen Haftungsrisiken führen kann. Zudem können sie als Prozessbevollmächtigte im Gericht nicht unbefangen als Zeugen agieren, was die Verteidigung der Mandanten erschwert.

Verwaltungsrechtliche Prozessführung: Eine Sache für Experten

Die juristische Auseinandersetzung im Bereich der Coronahilfen erfordert nicht nur verwaltungsrechtliches Fachwissen, sondern auch tiefgehende Kenntnisse des Fördermittelrechts. Dieses Rechtsgebiet ist von einer Vielzahl von Bestimmungen aus dem Verwaltungs-, Haushalts-, Verfassungs- und Europarecht geprägt. Ein erfolgreiches Vorgehen gegen Aufhebungs- und Rückforderungsbescheide setzt daher spezifische Expertise voraus!

Warum Steuerberater eine Klage gut überdenken sollten

Die Erhebung von Klagen im Zusammenhang mit Schlussabrechnungen und Überbrückungshilfen sollte von Steuerberatern sehr sorgfältig abgewogen werden. Angesichts der strengen formellen Anforderungen und der erheblichen Unterschiede zu finanzgerichtlichen Verfahren ist es ratsam, die Klageerhebung einem spezialisierten Anwalt zu überlassen. Steuerberater sollten sich auf ihre Kernkompetenzen im Bereich der Steuerberatung konzentrieren und juristische Aufgaben, insbesondere im Verwaltungsrecht, Experten überlassen, um Haftungsrisiken und kostspielige Fehler zu vermeiden.

Wenn Sie Unterstützung bei der rechtssicheren Klageerhebung im Zusammenhang mit Schlussabrechnungen benötigen, zögern Sie nicht, mich zu kontaktieren. 
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