Fördermittel unter Vorbehalt: Ein Museum vor Gericht
Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 1. Oktober 2024 (Az. 16 K 898/22) beleuchtet die Herausforderungen, die bei der Rückforderung von Corona-Hilfen auftreten können.
Der Fall eines Hamburger Museums, das gegen die Rückforderung von bereits ausgezahlten Fördermitteln klagte, macht deutlich, dass Unternehmen auch nach Bewilligung und Auszahlung einer Soforthilfe nicht vor Rückforderungen geschützt sind.
Sachverhalt: Die Ausgangslage des Museums
Das klagende Museum hatte im April 2020 eine einmalige Corona-Soforthilfe in Höhe von 25.000 Euro beantragt und erhalten. Diese Hilfe sollte die wirtschaftlichen Auswirkungen der COVID-19-Pandemie abfedern.
Die Bewilligung erfolgte schnell und ohne umfassende Vorprüfung – die Auszahlung fand am 7. April 2020 statt. Im Rahmen einer späteren Überprüfung stellte die Behörde jedoch fest, dass der tatsächliche Liquiditätsengpass lediglich 7.409 Euro betragen habe. Zudem ergab die Prüfung, dass sich das Museum bereits zum Stichtag 31. Dezember 2019 in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befunden hatte.
Nach den geltenden Förderrichtlinien war das Museum damit nicht antragsberechtigt. Die Behörde widerrief daher die Bewilligung teilweise und forderte 17.591 Euro zurück.
Der Rechtsstreit: Widerspruch und Klage des Museums
Das Museum legte Widerspruch gegen den Rückforderungsbescheid vom 27. August 2021 ein und machte geltend, dass es diesen Bescheid erst am 2. November 2021 erhalten habe – und nicht schon im September, wie die Behörde behauptete. Die Behörde wies den Widerspruch mit Bescheid vom 20. Januar 2022 zunächst als unzulässig zurück, da sie davon ausging, dass er nicht fristgerecht eingegangen sei. Daraufhin erhob das Museum am 25. Februar 2022 Klage vor dem Verwaltungsgericht Hamburg.
In der Klage argumentierte das Museum unter anderem, dass die Rückforderung ungerechtfertigt sei, da es von der Förderung ausgegangen sei und diese rechtmäßig erhalten habe. Auch wies es auf organisatorische Probleme bei der Postzustellung in seinem Bürogebäude hin, die den verspäteten Zugang des Rückforderungsbescheids erklären sollten.
Entscheidung des VG Hamburg: Rückforderung bestätigt
Das VG Hamburg ließ die Klage zu, da der Widerspruch nicht verfristet sei.
Verantwortung der Behörden
In seiner Argumentation wies das Gericht darauf hin, dass die Behörde es versäumt hatte, den Bescheid förmlich zuzustellen. Grundsätzlich liegt das Risiko der Zustellung bei der Behörde, wenn sie lediglich per einfachem Brief versendet und auf eine förmliche Zustellung verzichtet.
Das Gericht stellte fest, dass das einfache Bestreiten des Zugangs durch das Museum in solchen Fällen grundsätzlich ausreicht – die Hürden sind hier aus guten Gründen hoch, sodass nur in Ausnahmefällen anders entschieden werden könne.
Ein solcher Ausnahmefall lag hier jedoch nicht vor.
Kein Liquiditätsengpass
Das Gericht stellte ebenfalls fest, dass das Museum objektiv falsche Angaben zum Liquiditätsengpass gemacht habe. Es konnte nur 7.409 Euro Engpass belegen, hatte aber ursprünglich einen Betrag von 31.405,26 Euro angegeben. Diese Differenz führte zu einer unrechtmäßigen Überzahlung, die eine teilweise Rückforderung rechtfertigte.
Wirtschaftliche Schwierigkeiten vor der Pandemie
Ein weiterer wesentlicher Punkt war, dass das Museum bereits vor Beginn der Pandemie in einer kritischen wirtschaftlichen Lage war. Nach Art. 2 Nr. 18 der Allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung (AGVO) dürfen staatliche Hilfen nicht an Unternehmen gewährt werden, die sich am 31. Dezember 2019 in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befanden.
Das Museum hatte jedoch erhebliche Verluste ausgewiesen: Sein Stammkapital von 25.000 Euro stand einem Fehlbetrag von 1.581.859,97 Euro gegenüber.
Aufgrund dieser negativen Bilanz fiel das Museum unter die Kategorie „Unternehmen in Schwierigkeiten“ und war daher nicht förderberechtigt. Deshalb wurde die Klage obwohl sie zulässig war, als unbegründet abgewiesen.
Das Museum argumentierte mit einer Ausnahme für junge Unternehmen, da es zwar vor mehr als drei Jahren gegründet wurde, jedoch erst später am Markt aktiv geworden war. Diese Ausnahme sah das Gericht jedoch nicht als erfüllt an; es komme lediglich auf das Gründungsdatum an.
Rechtliche Grundlagen der Entscheidung
Die Rückforderung stützte sich auf § 48 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG), der es Behörden ermöglicht, rechtswidrig gewährte Verwaltungsakte zurückzunehmen. Besonders relevant war hier, dass das Museum durch unrichtige Angaben die Bewilligung erlangt hatte.
Zudem stellte das Gericht klar, dass ein Vertrauensschutz (§ 48 Abs. 2 VwVfG) dann nicht greift, wenn der Empfänger der Hilfe falsche oder unvollständige Angaben gemacht hat.
Auch das Argument des Museums, es habe auf den Bestand der Bewilligung vertraut, wurde zurückgewiesen. Die schnelle und unbürokratische Auszahlung der Corona-Hilfen rechtfertigte keine dauerhafte Gewissheit über den Erhalt der Gelder.
Konsequenzen für Unternehmen
Dieses Urteil verdeutlicht die Risiken und Herausforderungen, die bei der Beantragung staatlicher Hilfen bestehen. Unternehmen müssen bei der Antragstellung auf korrekte und vollständige Angaben achten. Fehler oder unzutreffende Angaben – auch wenn sie unabsichtlich erfolgen – können zu erheblichen finanziellen Folgen führen.
Besonders problematisch ist die nachträgliche Prüfung von Fördervoraussetzungen. Selbst wenn eine Soforthilfe zunächst bewilligt und ausgezahlt wird, sind Unternehmen nicht davor geschützt, dass die Hilfe später zurückgefordert wird. Behörden haben das Recht, solche Prüfungen auch nachträglich durchzuführen und Hilfen zurückzufordern, wenn die Förderkriterien nicht erfüllt wurden.
Was Unternehmen tun können
Sorgfältige Prüfung der Antragsunterlagen:
Unternehmen sollten die Fördervoraussetzungen genau prüfen und gegebenenfalls rechtlichen Rat einholen, bevor sie einen Antrag stellen.
Dokumentation und Nachweise:
Es ist ratsam, alle relevanten Unterlagen und Berechnungen sorgfältig zu dokumentieren, um bei Prüfungen schlüssige Nachweise vorlegen zu können.
Fristen im Blick behalten:
Unternehmen müssen sicherstellen, dass alle relevanten Bescheide rechtzeitig geprüft und gegebenenfalls Widersprüche fristgerecht eingelegt werden.
Rechtliche Beratung bei Rückforderungen:
Im Falle einer Rückforderung lohnt es sich, rechtlichen Rat einzuholen und die Erfolgsaussichten einer Klage oder eines Widerspruchs sorgfältig abzuwägen.
Lehren aus dem Urteil: Genauigkeit zahlt sich aus
Das Urteil des VG Hamburg zeigt exemplarisch, dass die Bewilligung von Corona-Soforthilfen unter Vorbehalt steht und Unternehmen bei der Antragstellung sorgfältig arbeiten müssen. Die Rückforderung von Hilfen kann auch dann erfolgen, wenn diese zunächst rechtmäßig schienen. Besonders wichtig ist, dass Unternehmen sich der strengen Förderrichtlinien und der möglichen nachträglichen Prüfungen bewusst sind. Transparente, vollständige und korrekte Angaben sind der beste Weg, um rechtliche Auseinandersetzungen und finanzielle Rückforderungen zu vermeiden.
Wenn Sie Unterstützung bei rechtlichen Fragen zur Rückforderung von Corona-Hilfen oder bei ähnlichen steuerrechtlichen Anliegen benötigen, kontaktieren Sie mich gerne für eine persönliche Beratung.
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